November-Endspurt: Südwest-Derby in Flacht

November 21, 2024

Vier Heimspiele haben die Binder Blaubären Flacht in ihrem knochenharten November absolviert. Nach einem 3:0-Sieg über Grimma und einem 3:1-Sieg gegen Köln setzte es am Sonntag gegen Dresden eine 0:3-Niederlage, zwischendurch verlor man auch das DVV-Pokal-Achtelfinale gegen den Übergegner aus Stuttgart.

 

Nun steht am kommenden Samstag das letzte Spiel des Monats im eigenen Haus an. Zu Gast ist der SSC Freisen. Hierbei treffen nicht nur die beiden einwohnerschwächsten Orte der Liga aufeinander, sondern auch zwei Vereine mit einer vergleichsweise geringen örtlichen Entfernung. Das Duell der einzigen beiden südwestdeutschen Zweitligisten versprüht einen Hauch von Derby-Charakter.

 

Ausgeglichene Bilanz – Freisen mit Fehlstart

In der Vorsaison standen sich die beiden Teams erstmalig gegenüber. Nachdem Flacht im Hinspiel vor heimischer Kulisse noch mit 0:3 verlor, fuhr man in der Fremde einen überzeugenden und durch lautstarke Fanbegleitung unterstützten 3:1-Sieg ein. Die Punktebilanz ist damit also ausgeglichen. Das Stichwort Punkte ist für die Gäste aus dem Saarland sicher derzeit kein angenehmes. Davon hat der SSC nämlich bis dato die wenigsten aller Mannschaften in der 2. Bundesliga Pro gesammelt und steht als bislang einzige noch sieglose Mannschaft mit zwei mageren Punkten am Ende der Tabelle. Vor allem das vergangene Wochenende dürfte schmerzhaft für die Saarländer gewesen sein. Wie auch die Blaubären absolvierte man zwei Partien und wie die Blaubären am Sonntag geriet Freisen am Samstag gegen den VCO Dresden mit 0:3 unter die Räder. Dadurch übergaben die Sachsen die rote Laterne an die Freisenerinnen. Als wäre das noch nicht genug, sah man in der Bruchwaldhalle am Sonntag endlich dem erlösenden ersten Saisonsieg entgegen, doch die ESA Grimma Volleys konnten ihren Gastgebern trotz einer 2:0-Führung noch mit 3:2 den Sieg entreißen. So bleibt es für Freisen bei zwei Punkten und keinem Sieg aus den ersten Saisonspielen. Die Binder Blaubären Flacht sind darauf erpicht, diese Bilanz am Samstag keinesfalls zu verbessern.

 

Umbruch im Saarland – Probleme mit der Quote

In Freisen wollte man nach der vergangenen Saison, die bereits mit 10 Punkten Rückstand auf dem letzten Tabellenplatz endete, einiges besser machen, neu machen. Nur 5 Spielerinnen aus dem Kader der Vorsaison sind geblieben, unter anderem auch Zuspielerin Leonie Dewes, die in der vergangenen Saison die Hälfte aller MVP-Medaillen für Freisen gewann. Dem gegenüber stehen ganze 9 Neuzugänge, die größtenteils ihre erste Saison in der deutschen Volleyball-Elite absolvieren. Der Kader des SSC umfasst wie in der Vorsaison 16 Spielerinnen, aber ein genauerer Blick relativiert diese Zahlen. Vier Namen stechen besonders ins Auge. Zunächst sind das die beiden Jüngsten in der Mannschaft: Außenangreiferin Lilli Faus (Jahrgang 2009) und Zuspielerin Ida Schneider (Jahrgang 2010). Die beiden jungen Spielerinnen sind seit Beginn der Saison Teil des Kaders von Trainerin Brigitte Schumacher, sehen bis dato aber kaum Spielzeit. Noch weniger Spielzeit sehen dagegen die beiden Schumachers. Dem aufmerksamen Leser mag dieser Name nun ein Begriff sein. Mit Doris und Brigitte Schumacher stehen zwei Universalspielerinnen im Kader, die, im Gegenentwurf zu den zuvor erwähnten Nachwuchskräften, beide bereits jenseits der 50 Jahre alt sind. Warum der SSC Freisen die beiden auf ihrer Liste hat? Die einfache Antwort: aufgrund der Staatsbürgerschaft. Denn während in der Vorsaison nur 4 von 16 Kaderplätzen an nicht-deutsche Spielerinnen vergeben waren, sind es aktuell 7. Bei einem Kader, der abzüglich der zwei Jungspunde und der zwei Schumachers nur aus 12 Akteuren bestünde, betrüge der Anteil nicht deutscher Spielerinnen fast 60 Prozent, was die Regeln der Volleyball-Bundesliga nicht tolerieren. Und so musste sich der SSC Freisen auf unkonventionelle Art und Weise behelfen, um seine Neuzugänge regelkonform aufzunehmen.

 

Nationalspielerin will Gegner „absolut nicht […] unterschätzen“

Neuzugänge, die gab es auch auf Seiten der Binder Blaubären, jedoch haben alle 5 Neu-Blaubären einen deutschen Pass. Tatsächlich befindet sich unter den Neulingen auch eine Spielerin mit doppelter Staatsbürgerschaft: Julie Teso. Die Zuspielerin war in der Vorsaison noch für den damaligen Ligakonkurrenten Stralsunder Wildcats aktiv und zog sich bei ihrem Gastspiel in der Bärenhöhle traurigerweise eine Verletzung zu. Im Zuge der Entlassung von Wildcats-Trainer Ali Hobst unter der Saison hatte auch Julie Teso ihren Vertrag in Stralsund aufgelöst und wollte wieder zurück in den Süden, wo sie bereits vor ihrem Engagement an der Ostsee für vier Jahren bei den proWIN Volleys TV Holz unter Vertrag stand. Dies befand sich auch in der Nähe ihrer zweiten Heimat, denn sie ist mit 33 Einsätzen für die Nationalmannschaft Luxemburgs die erste aktive Nationalspielerin in den Reihen des TSV Flacht. Nachdem sie bereits beim starken Auswärts-Doppelsieg der Blaubären zum Saisonstart glänzen konnte, wurde sie zwischenzeitlich erneut außer Gefecht gesetzt. Doch nach ihrer ersten MVP-Medaille in Diensten der Schwarz-Blauen (Silber in Berlin) ist sie wieder voll im Spielbetrieb und machte auch in den bisherigen Spielen im November wieder deutlich, was für eine Verstärkung sie für die Mannschaft von Nico Reinecke darstellt. So auch beim jüngsten Doppelspieltag in der Bärenhöhle. „Ich denke, dass wir uns vom anstrengenden Doppelspieltag ganz gut erholt haben“, sagte die 26-Jährige im Interview vor dem Spiel und analysierte den kommenden Gegner: „Freisen ist eine sehr kämpferische Mannschaft, die im Vergleich zur letzten Saison einige Neuzugänge zu verzeichnen hat. Obwohl sie punktemäßig weit unten stehen, sind sie absolut nicht zu unterschätzen.“, warnende Worte der Zuspielerin vor den trotz des schwachen Starts klar vorhandenen Qualitäten der Spielerinnen. Sie geht trotz allem positiv gestimmt und mit klarem Fokus in das letzte November-Spiel: „Wir wollen fokussiert unser Spiel durchziehen und wenn wir unsere Leistung abrufen, bin ich überzeugt davon, dass es ein schönes Spiel wird und wir die drei Punkte bei uns zu Hause behalten können.“

 

Nico Reinecke will Leistungssteigerung

Für Flachts Trainer war der vergangene Sonntag kein Gradmesser. „Wir alle sind alles andere als zufrieden mit der Leistung gegen Dresden gewesen und wollen gegen Freisen eine deutlich bessere Leistung zeigen, wie gegen Grimma und Köln“, sagte Nico Reinecke und verweist auf die furiosen Siege seiner Mannschaft in diesem Monat. Auch für ihn ist das Spiel trotz der Voraussetzungen auf dem Papier keinesfalls ein Selbstläufer: „Die Ausgangslage scheint von der Tabelle her klar zu sein, aber Freisen hat auch noch nicht so viele Spiele und durch den Umbruch wird sich die Mannschaft mit jedem Spiel besser einspielen“, relativiert der Coach die tabellarische Ausgangssituation und fordert von seiner Mannschaft maximalen Einsatz: „Daher müssen wir in eigener Halle wieder an unsere Leistungsgrenze gehen, um das Spiel für uns zu entscheiden.“ Was an der Leistungsgrenze seiner Blaubären möglich ist, haben diese in der laufenden Spielzeit schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt, am Samstag soll der nächste Schritt in diese Richtung erfolgen.

 

Vorfreude ist groß

Abseits der Millionen- und Großstadtvereine der Liga fiebert man dem letzten November-Heimspiel im kleinen Flacht begeistert entgegen. Auf eines freut sich Julie Teso besonders: „Bei den letzten Spielen war eine super Stimmung in der Halle und das hat immer großen Spaß gemacht. Ich hoffe, dass auch dieses Wochenende wieder viele Fans dabei sind und uns lautstark anfeuern, um den Sieg zu holen“, schwärmt der Neuzugang von der Kulisse in der Weissacher Heckengäusporthalle II, die auch in dieser Saison wieder zu den bestbesuchten Hallen der Liga zählt (1731 Zuschauer in 5 Heimspielen, ca. 80 % Hallenauslastung). Ob ihre Hoffnung auf eine volle Halle erfüllt werden, liegt nun in den Händen der Flachter Fans.

 

Wir freuen uns auf ein gut besuchtes Heimspiel und drücken unseren Binder Blaubären Flacht die Daumen für diese nächste Aufgabe.

 

Text: Flemming Nave
Foto: Gerhard Heermann

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