Stuttgarter Zeitung | Nr. 240 | Freitag, 17. Oktober 2025
Blaubären sind noch zu schmal für die Liga
Die Volleyballerinnen des TSV Flacht verlieren ihre Heimpremiere in der Bundesliga gegen den USC Münster mit 0:3 – und Trainer Hartmann benennt die Defizite.
Weissach. Die historische Wegmarke in der Geschichte des TSV Flacht war nach knapp 80 Minuten abgeschritten: Die Volleyballerinnen der Binder Blaubären hatten ihre erste Heimpartie in der Bundesliga gespielt – und waren dem USC Münster in 64 Minuten Spielzeit beim 0:3 (14:25,15:25,20:25) deutlich unterlegen.
Ein wenig Ernüchterung schwingt bei Cheftrainer Manuel Hartmann mit, als er danach sein Fazit mit den Worten „Na ja“ einleitet und fortfährt: „Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, wir haben weniger Fehler gemacht als in Erfurt.“ Am Samstag war der Aufsteiger bei der Erstliga-Premiere in Thüringen ebenfalls nach 64 Minuten Spielzeit nach einem 0:3 von Spielfeld marschiert.
Die klaren Niederlagen sind keine Überraschung für solche, die sich im Volleyball ein wenig auskennen –sie sind vielmehr Bestätigung, dass der TSV ein Goldfisch im Karpfenteich der deutschen Eliteliga ist und gegen die dicken Fische nichts ausrichten kann. Das hat der Club einkalkuliert, als er den sogenannten Paketaufstieg für sich in Anspruch genommen hat. „Was wir vor allem benötigen“, unterstreicht Manager Michael Kaiser, „ist Geduld, Geduld, Geduld.“
Gegen den mehrfachen deutschen Meister und arrivierten Bundesligisten aus Münster brannte sich bei den 433 Zuschauern in der Heckengäusporthalle (ausverkauft) vor allem eines ein: die physische Unterlegenheit der Blaubären. Lediglich Frauke Neuhaus, die einzige der Blaubären mit echter Erstliga-Erfahrung, konnte in der Schlagstärke Paroli bieten, beim USC war dagegen jede Angreiferin in der Lage, einen Schmetterball mit hartem Bundesliga-Bums abzufeuern. Allen voran Brianna Ford, die nur ganz selten geblockt werden konnte.
„Uns fehlen Härte und Höhe im Angriff sowie beim Aufschlag“, bemerkt Manuel Hartmann, „daran müssen wir verstärkt arbeiten.“ Die körperlichen Defizite sind allerdings nicht innerhalb von wenigen Wochen durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuholen, dafür muss monatelang im Fitnessstudio an Geräten geschwitzt werden – und weil die Flachter Spielerinnen alle keine Profis sind, müssen sie die Einheiten zusätzlich in den Tagesablauf gepackt werden. „Wir sind an dem Thema dran“, betont der Chefcoach.
Nun war es am Mittwochabend aber nicht so, dass die Blaubären vom USC Münster vorgeführt wurden wie ein Tanzbär in der Manege –im ersten Satz lagen die TSV-Frauen sogar 10:9 in Führung, dann aber gaben die Gäste mehr Gas. Und in Durchgang drei hielten sich die Blaubären auf Augenhöhe bis zum 18:18, dann aber besiegelten Aufschlagfehler und weitere Problemchen im Angriff das 20:25. „Vielleicht haben ein wenig die Nerven geflattert“, meinte Manuel Hartmann, „als wir gemerkt haben, wir könnten diesen Satz gewinnen.“ Auch das gehört zu den Anforderungen in der Bundesliga: Stress in die richtigen Kanäle zu leiten.
Dass diese Saison einen Entwicklungsprozess darstellt, betont Manager Kaiser: „Wir müssen unser Umfeld darauf vorbereiten, das wir kein Spiel gewinnen, vielleicht ist mal ein Satzerfolg drin.“ Die Zuschauer sind weitgehend im Bilde über das, was auf sie zukommen könnte. „Ich bin regelmäßig hier“, sagt Harald, „ich komme auch künftig – unabhängig vom Ergebnis.“ Holger, erstmals in der Blaubären-Höhle, stört sich nicht am klaren 0:3, wenn er sagt: „Ich komme sicher wieder, es macht Spaß, hochklassigen Bundesliga-Sportlive zu verfolgen.“
Und Petra aus Weissach, ein Fan von Liga Rivale Allianz MTV Stuttgart, zollt dem TSV Respekt. „Was in Flacht aufgebaut wurde – alle Achtung“, sagt sie, „die Musik in der Halle ist schon so laut wie in der Scharrena in Stuttgart.“ Das sportliche Niveau des viermaligen deutschen Meister wird nicht so schnell zu erreichen sein–bei den Blaubären benötigen sie Geduld, Geduld und Geduld.
Text: Jürgen Kemmner
Fotos: Andreas Gorr