Der Abstiegskampf in der Zweiten Liga Pro ist für die Volleyballerinnen aus Flacht mental fordernd – deshalb holt der Club eine Verstärkung.
Von Jürgen Kemmner
Eine schillernde, publikumsträchtige, grandiose Premiere war es nicht, die Nadine Himmelhan im Trikot der BinderBlaubären aus Flacht feierte. Es war eher ein Kurzauftritt, aber ein grundsolider und bodenständiger. „Ich kann mich nicht beschweren“, sagt die 32-Jährige, die beim 3:2- Erfolg über die ESA Grimma Volleys im Tiebreak zum ersten Mal für den Club auf dem Feld stand und mit zwei, drei Aktionen ein Ausrufezeichen setzte.
Einmal hechtete Nadine Himmelhan sogar, um einen Ball zu retten – dabei ist das eine Begleiterscheinung des Volleyball- Spiels, die sie in etwa so liebt wie das Ausfüllen einer Steuererklärung. „Früher bin ich häufig in Richtung Ball geflogen“, erzählt die neue Libera, schmunzelt und fährt fort: „Heute weiß ich, wo ich stehen muss.“ Das dürfte auch so sein, wenn der TSV Flacht an diesem Samstag (19 Uhr) den ungeschlagenen Spitzenreiter Schwarz-Weiß Erfurt in der Heckengäusporthalle empfängt.
32 ist Nadine Himmelhan, damit hat sie Frauke Neuhaus (30) den Titel der Alterspräsidentin der Blaubären abgenommen, und dank diesen Alters besitzt der Neuzugang ein Füllhorn an Erfahrungen. 17 Jahre geballte Volleyball-Routine stecken in der Frau aus Sinsheim, die beim dortigen SV das Spiel erlernt und später in der Zweiten Bundesliga sowie in der dritten Liga geschmettert, gebaggert und gepritscht hat. Während ihrer Zeit in Mannheim (Regionalliga, dritte Liga) hat sie Frauke Neuhaus kennengelernt, und nachdem sich der SV Sinsheim im vergangenen Sommer aus Liga drei zurückgezogen hatte, verwandelte sich Himmelhan in eine Volleyball-Pensionärin im Unruhestand.
So kam das Eine zum Anderen. Frauke Neuhaus heuerte bei den Blaubären an, auch der Sinsheimer Trainer Peter Lember, der ebenfalls beschäftigungslos war, fand den Weg ins Heckengäu und assistiert Chefcoach Nico Reinecke nun als Co-Trainer – und da die Welt des Frauen-Volleyballs eine Sportgalaxie von überschaubarer Ausdehnung darstellt, war der Erstkontakt im Dezember leicht zu knüpfen. Freilich auch, weil der Flachter Sportdirektor Jan Lindenmair und Nadine Himmelhan sich ebenfalls in der Vergangenheit mehrfach über den Weg gelaufen waren. „Ich habe ein paarmal mittrainiert und dann waren wir uns einig“, erzählt die Badenerin, die ihre neue Beschäftigung mit ihrem Job in einer Zahnarzt-Praxis sowie den Aufgaben als Co-Trainerin der Oberliga-Männer des SV Sinsheim organisatorisch wie inhaltlich zu stemmen weiß.
Wer rastet, der rostet. „Ich brauchte eine aktive Betätigung“, betont Nadine Himmelhan, die die Flachter Funktionäre deshalb hergelotst hatten, weil sie diesen unbezahlbaren Fundus an Erfahrung besitzt, der im Blaubären-Kader nicht so üppig gesät ist wie Löwenzahn auf einer Frühlingswiese. „Sie bringt die Belebung, die wir benötigen“, sagt Manager Michael Kaiser, „sie dirigiert, sie nimmt kein Blatt vor den Mund – das brauchen wir.“
Denn in der Zweiten Liga Pro ist der Marsch zum Verbleib kein idyllischer Spaziergang, wo Muße und Harmonie regieren, sondern ein knallhartes Geschäft mit Begleiterscheinungen, die für junge Spielerinnen belastend sein können. Laute Fans können irritieren, der Druck, den Aufschlag sauber zu setzen, lähmen. Psycho- Fallstricke lauern überall. „Ich habe in Hallen gespielt, wo noch mehr los war als zuletzt gegen Grimma“, erzählt die Routinierte, „deshalb haut mich so schnell nichts um.“
Nadine Himmelhan soll mit Kapitänin Julia Cedeno und Frauke Neuhaus die jungen Mitspielerinnen führen, ihnen Tipps geben und Sicherheit vermitteln. Sie soll vorleben, wie man mit Druck umgeht, wie man ihn in die richtigen Bahnen lenkt, um nicht daran zu zerbrechen. Diese Gefahr sahen die Flachter am Horizont aufziehen. Die beiden als Libera eingesetzten Valerie Sutterer (17) und Alina Stäbler (22) sind jung, zudem wird Stäbler in den drei letzten Saisonspielen fehlen – die Last, die auf den Schultern einer 17- Jährigen im Kampf gegen den Abstieg ruht, könnte so schwer werden, dass sich die Hände wie gefesselt anfühlen. „Man darf die jungen Leute nicht überfordern“, sagt Nadine Himmelhan, die die Position der Libera aus dem Effeff kennt, was ihre Verpflichtung zusätzlich begründet.
Nur an eines muss sich die 32-Jährige noch gewöhnen: Die körperliche Belastung, die steckt sie nicht mehr so locker weg wie die jungen Kolleginnen. Aber dafür weiß Nadine Himmelhan schließlich, wo man im Spiel stehen muss, um nicht unnötig hechten zu müssen.